Die Arbeit für unsere Mandanten macht uns immer viel Spaß, doch so ganz offensichtlich ist es für Außenstehende nicht, wie der Kanzleialltag aussieht. Die fachliche Qualität lässt sich oft schwer beurteilen (danke für Ihr Vertrauen), und bis jetzt hat uns noch kein Mandant für unsere herrlichen Rückstellungen gelobt oder ist in Verzückung geraten über die Abschreibung der GWG.
Deshalb wollen wir Ihnen mit dieser Serie einen Blick hinter die Kulissen gewähren und stellen in den nächsten Lotse-Folgen einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin mit seinem/ihrem Aufgabenbereich vor.
Ein Tag im Leben von Verena Heiter*
Guten Tag, mein Name ist Verena Heiter und ich bin gelernte Steuerfachangestellte. Ich bin 47 Jahre alt und verdanke meine Berufswahl meiner damaligen Leidenschaft für Tetris. Meine Mathematiklehrerin hat mir empfohlen, einen zahlenorientierten Beruf zu wählen, bei dem logisches Denken erforderlich ist. Und die Mutter einer Schulkameradin war Steuerberaterin, bei der ich ein Ferienpraktikum gemacht habe. Da wusste ich, das ist das Richtige für mich.
Was damals noch gar nicht absehbar war, ist jetzt ein Riesenvorteil: Wir arbeiten digital in der Kanzlei, und ich kann zwei Tage die Woche von zu Hause arbeiten. Mein Vater ist jetzt 79 und lebt, seit meine Mutter vor drei Jahren gestorben ist, bei uns im Haus. So habe ich neben der Arbeit Zeit, mich um ihn zu kümmern.
Heute bin ich zu Hause und habe mir den Tag für den Jahresabschluss von Maler Fleck reserviert. Dazu habe ich mich gestern in der Kanzlei noch einmal mit Nicole Sommer, die seine Buchhaltung macht, abgestimmt und die von ihr vorbereiteten Unterlagen in die Arbeitspapiere zum Jahresabschluss übernommen.
Jetzt gehe ich Punkt für Punkt die Bilanzpositionen vom Anlagevermögen über Umlaufvermögen, Rückstellungen und Kapitalkonten durch. Ich will Sie als Leser hier gar nicht groß langweilen mit Fachchinesisch und Paragrafen, in der Kanzlei verwenden wir bei GmbHs eine besondere Checkliste, die ich Schritt für Schritt abarbeite.
Hier ein kurzer Auszug einiger wichtiger Bewertungs- und Prüfpunkte:
- Ich schaue mir die Neuanschaffungen im Anlagevermögen an und prüfe, ob mögliche Sonderabschreibungen – wir nennen das bei uns gern auch die Mittelstands-AfA – in Anspruch genommen werden können; eventuell gebildete Investitionsabzugsbeträge bei getätigten Investitionen auflösen.
- Maler Fleck macht natürlich eine Inventur. Hier schaue ich mir insbesondere die Bewertung der Waren zum Einkaufswert an.
- Sind die halbfertigen Arbeiten vollständig? Dazu schaue ich mir die Ausgangsrechnungen vom Folgejahr durch, kontrolliere den Leistungszeitraum, vergleiche die halbfertigen Arbeiten mit den erhaltenen Anzahlungen.
- Ich berechne die Rückstellung für Archivierung – auch ein Maler hat ganz schön viele Ordner: Hierzu werden die Raumkosten ermittelt, wird die Archivgröße geprüft und werden die Daten in das bereits vorliegende Excel-Tool eingearbeitet.
- Eine Betriebsprüfung steht an, sodass hierfür ebenfalls eine Rückstellung gebildet werden kann.
- Und natürlich sind auch offene Kundenrechnungen vorhanden, die ich mit Maler Fleck abstimme und nach Rücksprache Einzelwertberichtigungen bilde bzw. die Forderungen ausbuche.
- Zu den Routineaufgaben gehört es, eine Umsatzsteuerverprobung durchzuführen und die Gewerbesteuerrückstellung zu berechnen.
- Auch die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen wollen ermittelt werden.
Wenn die Checkliste abgearbeitet ist und alle abschlussrelevanten Buchungen erfolgt sind, bereite ich die Unterlagen für die Besprechung mit dem Mandanten vor. Dabei werden anstehende Bewertungsfragen mit Maler Fleck besprochen und Entscheidungen gefällt.
Erst dann erfolgt die endgültige Verarbeitung und Erstellung des Bilanzberichts. Nach Unterschrift durch den Mandanten werden die Daten dann elektronisch an das Finanzamt und die Banken gesendet.
Jeder Jahresabschluss hat seine Besonderheiten, und ich schätze an meiner Arbeit, dass ich mich in die unterschiedlichsten Branchen hineindenken kann und indirekt an deren Erfolgszahlen mitwirke.
Ach, übrigens, Tetris spiele ich zwar nicht mehr. Dafür nutze ich meine logischen Fähigkeiten seit einiger Zeit bei Online-Spielen wie „The Stanley Parable“. Jede Entscheidung führt zu einem anderen Ergebnis – so gesehen ähnelt es also der Erstellung eines Jahresabschlusses.
* Aufgrund der DSGVO sind die personenbezogenen Daten erfunden. Ähnlichkeiten mit echten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. ?